Die Nordsee rauscht unablässig, während der Wind durch das Schilf weht und sich der Duft von Salzwasser und Erde vermengt. Inmitten dieses Naturtheaters steht sie da, stolz und doch bescheiden, die Alte Inselkirche auf Spiekeroog, ein Ort des Glaubens und der Geschichte.
Es ist nicht nur die Schönheit des rechteckigen Backsteinbaus von 1696, der uns ins Auge fällt. Die Kirche selbst ist ein Palimpsest, auf dem die Geschichte der Insel und ihrer Menschen geschrieben steht.
Geschichte der Kirche
1525 wird erstmals ein Gotteshaus auf Spiekeroog erwähnt. Die Mauern bröckeln, das Meer fordert seinen Tribut, doch der Glaube der Menschen bleibt standhaft. Die dritte Kirche, erbaut im Jahr 1696, hat die Jahrhunderte überdauert, mit der Insel, ihren Stürmen und Menschen. Warum sie neu errichtet werden musste? Spiekeroog ist im Wesentlichen eine Sandbank, die unbefestigten Dünen wechselten ständig Form und Standort. Dabei nahmen Wind und Wetter leider keine Rücksicht auf Inselort und Kirche – der gesamte Ort ging unter und wurde am heutigen Ort neu errichtet. Dies ging mit Befestigungen der Dünen und steter Pflege des Bodens einher, der über Generationen hinweg so versorgt wurde, dass er schließlich eine karge Ernte in den Gärten der Häuser erlaubte.
Ein Bericht von 1765 beschreibt die Kirche als renoviert, ein Beweis für die fortwährende Fürsorge der Inselbewohner. Galerien werden im Jahr 1840 eingebaut, ein Dachreiter mit Glocke im Jahr 1865. Das schwebende Dach, gleich den anderen Dächern der Insel, schwingt mit dem Wind.
Die Türen der Kirche öffnen sich auch für Ausländer mit besonderem Bezug zur Insel. Bundespräsident Johannes Rau selbst wurde hier 1982 getraut, ein Zeugnis für die überregionale Bedeutung dieses heiligen Ortes.
Ausstattung der Alten Inselkirche
Das Innere der Kirche offenbart eine Harmonie zwischen Alt und Neu, eine Kollision von Zeiten und Stilen. Die farbenprächtige Kanzel aus dem 16. Jahrhundert, mit plattdeutschen Inschriften und floralen Motiven, erzählt Geschichten von Schiffen, Wracks und dem Meer.
Die Wandmalereien und Glasmalereien im Jugendstil flüstern von der Romantik des 19. Jahrhunderts, während die Pietà aus dem Spätmittelalter eine stille Klage und ein Gebet darstellt. Auffällig sind Fische, Krabben und sogar eine Kogge, die auf den bunten Fenstern der Kirche gezeigt werden. Die Decke ist mit einer fiktiven Sternenkarte bemalt, die eine Windrose umschließen, Modelle von Segelschiffen zieren den Mittelgang.
Viele Details der Ausstattung referenzieren somit auf die Tradition der Seefahrt, die immer eine überregende Bedeutung für das Auskommen der Inselbewohner spielte – von der Fischerei über die Handelsschifffahrt bis hin zum Walfang.
Das Herz der Insel
Die Alte Inselkirche von Spiekeroog ist nicht nur ein Bauwerk. Sie ist das Herz der Insel, ein Zeichen der Beständigkeit in einer sich ständig verändernden Landschaft. Die Gottesdienste, die Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen sind Teil des Lebensrhythmus der Inselbewohner.
Dieses Haus des Glaubens hat Zeiten des Umbruchs und der Ruhe überstanden. Es steht da, so wie der Wind und das Meer, zeitlos und doch im stetigen Wandel.
Durch ihre Fenster blicken wir nicht nur auf das Meer, sondern auch in die Seele einer Gemeinschaft, die durch den Glauben und die Liebe zu ihrer Insel verbunden ist. In der Alten Inselkirche von Spiekeroog finden wir ein Stück Ewigkeit, eingebettet in die Vergänglichkeit der Natur und der Zeit.
Chronologie der Inselkirche von Spiekeroog
1525: Erste Erwähnung eines Gotteshauses auf Spiekeroog.
1527: Erste bauliche Mängel gemeldet, das Mauerwerk muss repariert werden.
1696: Ein rechteckiger Backsteinbau wird an neuem Ort errichtet – die heutige Inselkirche.
1765: Ein Bericht beschreibt die Kirche als in ziemlichem Stande, also renoviert.
1840: Emporen werden in das Gebäude eingebaut.
1865: Der Dachreiter mit Glocke wird hinzugefügt.
1869: Bei Arbeiten unter dem Fußboden wird ein Skelett entdeckt, zugeordnet dem 1721 verstorbenen Insel-Pastor Brüggemeier.
1896: Ankauf des Altarbildes des Berliner Malers Engels durch die Inselgemeinde.
1901: Bemalung des Innenraums und Einbau von Fenstern im Jugendstil.
1961: Errichtung eines weiteren Gotteshauses auf der Insel; in der Alten Inselkirche werden seither Gottesdienste von November bis März abgehalten.
1961: Bau der Orgel durch Rudolf Janke.
1980: Restaurierung der Kirche.
1982: Bundespräsident Johannes Rau lässt sich in der Inselkirche trauen.
Weitere Details zur Ausstattung der Inselkirche
- Die spätmittelalterliche Pietà und Teile der Kanzel sollen von einem im Jahre 1586 gestrandeten Schiff der spanischen Armada stammen.
- Das Altarretabel ist neugotisch; Altartisch und Altaraufsatz wurden von den Insulanern angefertigt.
- Die Renaissancekanzel, datiert auf das 16. Jahrhundert, ist mit plattdeutschen Inschriften und floralen Motiven verziert.
- Der Opferstock wurde im Jahr 1676 aus Treibgut hergestellt.
- Die Bemalung des Innenraums und die mit Evangelistensymbolen ausgestatteten Fenster aus dem Jahre 1901 tragen Züge des Jugendstils.
- Das Altarbild des Berliner Malers Engels wurde von der Inselgemeinde 1896 für 300 Mark erworben.
- Die Orgel, gebaut im Jahr 1961 von Rudolf Janke, verfügt über fünf Register und hatte bereits zwei Vorgängerinnen.
- Die Kirche wurde im Jahr 1980 restauriert.
- Auf dem Friedhof an der Inselkirche befinden sich mehrere Grabsteine aus dem 18. Jahrhundert.